Bericht unserer TIKATO-Reisegruppe aus Burkina Faso
Wilhelm Wilmers, Ouagadougou - Koudougou 3.1.2010
Ihr lieben Burkinafreunde,,
erst wenige Tage in Burkina Faso, aber die Tage sind gefüllt mit vielen Begegnungen und voller Eindrücke. Am 30.12. kamen wir vom Tikato-Damm bei Pissila zurück. Während die Anderen an einer großen Zeremonie mit vielen Reden der traditionellen und staatlichen Würdenträger teilnahmen und mit den Frauen tanzten – alles unter einem riesigen Baum – habe ich in Ruhe alleine den Damm angesehen: der Zustand nach dem Desaster durch einen Extremregen Ende Juli ist schlimmer als ich anhand der Bilder angenommen hatte. Es gibt nur ganz wenige Gärten und die werden bald zuende sein, weil nur noch wenig Restwasser in einer Vertiefung existiert, die vielleicht auch bald austrocknen wird. Google Earth zeigt übrigens den Zustand nach dem Desaster (als gesuchten Ort eingeben Pissila, dann etwas nach NW gehen). Das zusätzlich Schlimmste: die provisorische Lösung, die beiden großen Löcher im Damm durch Sandsäcke zu schließen (finanziert durch unsere erste Spontanüberweisung von 5000€) hatte nicht gefruchtet, da es danach nicht mehr geregnet hat. Die Leute sind tief enttäuscht. Vor allem: die jungen Männer sind weggegangen, um in Städten oder an der Elfenbeinküste etwas zu verdienen – die Landflucht, seit Jahren durch den Damm verhindert, setzt wieder ein. Eine Lösung für die Dammreparatur ist noch nicht in Sicht. Unsere Spendeneingänge sind hoch, aber nicht ausreichend – jetzt läuft ein Antrag des ODE (Entwicklungsbüro der evangelischen Kirchen in Burkina Faso) auf zusätzliche Mittel bei stattlichen und nichtstaatlichen Stellen der Entwicklungshilfe – hoffentlich wird es möglich.
Unsere zweite Überweisung im September, auf Anforderung des ODE in Höhe von 11500 € ist aufgewandt worden, um 40 Tonnen Getreide zu kaufen. Der Koordinator der ODE+TIKATO-Projekte hat gemeinsam mit dem Sozialreferenten und einem dritten Vertreter der Mairie (politische Großgemeinde) die Familien erfasst, die durch den Starkregen ihre Lebensmittelbasis verloren haben. Die Verteilung erfolgt gratis nach dieser Liste. Erfasst sind die Menschen nicht nur um den Tikatodamm, sondern in der ganzen Großgemeinde (Mairie), was gut ist, weil so die Leute von Tikato keine Ausnahmestellung besitzen – das wäre auch unafrikanisch, zumindest in der traditionellen Gesellschaft..
Es hat zwei Gespräche mit Betroffenen gegeben. Besonders eindrucksvoll war die Schilderung von Frauen, die selber keine Gärten bewirtschaftet hatten, sondern in den Gärten ihrer Männer mithalfen. Die Ernte haben sie auf dem Markt verkauft, und den Erlös für die Versorgung der Familie verwendet und was übrig blieb zum Aufkauf von Getreide in der Erntezeit, wenn die Preise niedrig sind. Das Getreide haben sie dann entweder selbst verbraucht oder zu Zeiten hoher Preise mit Gewinn verkauft. Dafür fehlen jetzt die Mittel. Die Preissteigerungen können durchaus 100 % erreichen – schlagen jetzt auf sie zurück, weil sie sich nicht in der günstigen Zeit versorgen konnten.
Zu dem Flutdesaster berichtete der Koordinator Romouald KOUDA Folgendes: es hat am 31 Juli geregnet von ca. 18,00 Uhr bis 6 Uhr am folgenden Morgen. Des Stausee war gefüllt und das Zuviel lief ordnungsgemäß über die Überlaufschwelle ab. Dann kam ca. um 8,00 Uhr eine Flutwelle von über 2 m Höhe - das war der Ablauf des großen Einzugsgebietes - angerauscht, hat den Damm in voller Höhe und Länge überflutet und ist sogar am rechten Ufer um den Damm herum geströmt, um die hier stehenden Gehöfte zu beschädigen, teilweise schwer. Durch die Überflutung ist dann der Damm von hinten, also von der Luftseite her, massiv erodiert worden und an drei Stellen durchgebrochen. Die schlimmste Stelle war eine 30 m breite Bresche, die bis unter die Dammsohle reichte und das Wasser des Stausees bis auf eine Restsenke voll abfließen ließ. Mit dem Mitteln unserer ersten Spontanüberweisung von 5000 € haben die Leute Werkzeug und das Material beschafft, um die Hauptbresche und eine ähnlich kritische zweite Stelle so zu sichern, dass der See bis ca ¾ der Normalhöhe hätte gefüllt werden können. Der letzte Regen fiel in Burkina Faso am am 1. September, nach Fertigstellung der provisorischen Reparatur und brachte Verwüstung in weiten Landesteilen, vor allem in Ouagadougou, aber in Tikato fiel kein Tropfen – die Hoffnung ist enttäuscht.
Es gibt nur ganz wenige grüne Parzellen am Stausee: auf der linken Seite, die sonst am ganzen See entlang grün ist, gibt es zwei kleine eingezäunte Flächen von ca 50 m², die teilweise mit Zwiebeln bestanden sind. Auf der Gegenseite sind ein paar mehr Flächen grün, deutlich weniger als. 1/10 der normalen Fläche und wir sind in der Periode, die normalerweise die maximale Produktion hat. Wie eine Besucherin aus Wetzlar zu der Äußerung kommt, der Damm wäre in Ordnung, der See gefüllt und die Gärten in Betrieb, ist mir ein Rätsel. Der Koordinator kann sich an den Besuch einer Dame aus dem Bereich Wetzlar nicht erinnern und Ruth Ouedraogo, die sie begleitet hatte, bestätigt, dass sie den Koordinator nicht gesehen haben.
Es ist schmerzlich, dies so direkt zu erleben und die Betroffenen zu sprechen.
Auch unsere Folgeprojekte sind betroffen: das Gebäude für die Alphabetisierung steht und wird genutzt. Ebenso das Schattendach für den Kindergarten. Als Zeichen singen die Kinder für uns und zeigen ihre Kunstwerke aus Ton. Die Trockengeräte für Gemüse und Obst existieren auch, aber kein Gemüse, um es zu konservieren. Die Latrinen sind noch nicht alle eingerichtet – da fehlen auch die kräftigen jungen Männer, um die . Gruben zu graben - eine schwierige Situation.
Das Leben hier als privilegierte Besucher liegt in einem Spannungsfeld: einerseits wollen wir solidarisch sein mit den Armen und Verarmten, die sich kaum sättigen können, essen selber aber reichlich, müssen unseren von den Menschen hier weit abgehobenen Lebensstil beibehalten, um es kräftemäßig durchzuhalten.
Ein besonderes Erlebnis war die Nacht vom 29.12. auf den 30.12.09 - Wir zwei Männer, Peter Balß und ich durften im Hof des Jugendzentrums schlafen - dort hatte ich auch bei der Dammreparatur 2007 genächtigt. Ein überheller Vollmond und die nach dessen Untergang funkelnden Sterne waren wieder ein besonderes Erlebnis, dazu die Geräusche und Töne des Abends, das lockere Geplauder, einzelne schon müde Hähne, das Schlurfen der Schritte im Sand, leises Lachen. Am Morgen das Erwachen des Lebens – lebhafter als der Abend aber in einer angenehmen Gemessenheit – nur die zwei Hähne, die sich um ein paar Körner stritten brachten Spannung in den Tag. Auf dem großen Baobab zwei große Geier in majestätischer Ruhe, Die drei Frauen genossen die überwältigende Gastfreundschaft im Hause von Pasteur David Ouedraogo und seiner Frau mit vielen Kindern – eigenen und befreundeten.
Am 31.12.. waren wir mit Bernadette Kabre, Heidis Freundin seit der Reise 1981, im Museum für Musik, indem fast alle Musikinstrumente des Landes in verschiedenen Varianten gezeigt und erläutert wurden. Anschließend wurden die Instrumente auch gespielt und betrommelt und wir tanzten dazu.. Dann in einem Gartenrestaurant im Zentrum, in dem wir uns für die Mitternacht einen Tisch reserviert haben. Schöne Preisrelationen: Bier ist billiger als Cola und Fanta – so richtig für Deutsche, wenn sie sich nicht an die Regeln unserer Gastfreunde halten, für die Alkohol tabu ist.
Am Abend haben wir einen Mitternachtsgottesdienst wenigstens teilweise mitgemacht und dann in das Treiben in der Stadt mischen wollen. Das „Fest der Wünsche“ zum Jahreswechsel hat hier eine größere Bedeutung als Weihnachten und wird von Allen gefeiert, egal, welcher Religion sie zugehören. Bis zur Mitternacht waren wir in einem Gartenrestaurant bei guter Stimmung und lauer, leider nicht afrikanischer, sonder karibischer Popmusik. Das anschließende Treiben in den Straßen ist leider ausgefallen – vielleicht waren wir auch zu spät, aber die Nacht war schön, mit einer milden Luft bei 26°C und dem Vollmond im klaren Sternenhimmel darüber.
Vorgestern Abend hatte wir noch Besuch von Dr. Toro DRABO und seiner Frau Lala. Was er, auch Lala, kritisch über die politischen und sozialen Zustände des Landes berichten ist schlimm, entspricht einem Abgleiten des Landes in eine Diktatur ähnlich den Verhältnissen in den meisten afrikanischen Ländern – aber die Menschen sind noch so freundlich wie immer.
Ein besonderes Erlebnis am ersten Tag war eine Stadtrundfahrt der besonderen Art: Unter Führung von Bernadette und einem ihrer Freunde, einem pensionierten Historiker, haben wir einerseits Zerstörungen an Gebäuden und einem Staudamm durch die Flut und auch ein Zeltdorf gesehen, andererseits die Viertel des altern Wagadugu und ihre Bedeutung bei der Stadtgründung durch den ersten Moro Naba und für die Hofhaltung und die Regierungsgeschäfte des heutigen erklärt bekommen. Da werden wir anläßlich einer Besichtigung der Begrüßungszeremonie und einer anschließenden Privataudienz des „Weltherrschers der Mossi“ hoffentlich noch mehr erfahren. Der jetzige Moro Naba hat übrigens in der evangelischen Oberschule sein Abitur gemacht und ist begeisterter Fußballspieler, der es sich noch vor wenigen Jahren nicht nehmen ließ, bei einem Schulfest trotz seiner Würde noch kräftig mitzubolzen- Ich bin sehr gespannt darauf, diese Persönlichkeit zu erleben.
Jetzt, am Abend des Sonntags, 3.1.09, sitzen wir entspannt auf der Terrasse des Gästehauses des CET in Koudougou. Der Tag begann mit einem 3,5 -stündigen Gottesdienst in der Apostolischen Kirche, mit vielen Liedern, schwungvoll mit viel Klatschen rhythmisch begleitet und zwei Predigten von Pasteur Etienne Bazie, unserem Freund. Eben haben wir das Internetkaffee von Azania, dem ältesten Sohn von Sophie und Michel und sein Computerausbildungszentrum besichtigt. Beides hat er gemeinsam mit zwei Freunden aufgebaut und betreibt es mit viel Erfolg. In der Einrichtung wurde er unterstützt von Frau Kriska, einer Schweizerin, die ehrenamtlich im CET mitarbeitet und einer österreichischen Jugendgruppe, die eine größere Anzahl PC gespendet hat. Hier zeichnet sich eine Aufgabe für unsere Website-Spezialistin Katharina Graben ab zur Entwicklung einer Homepage für das Computerzentrum.
Begeistert hat uns der Besuch bei einem Künstler mit überraschend interessanten und schönen Bildern, teilweise sehr nachdenklich machenden Inhalts.
Jetzt können wir endlich emails verschicken, mal sehen, wie es klappt.
Euch allen wünschen wir, dass Euch das neue Jahr viel Gutes bringt.
Bild über den Damm – dies ist nicht die schlimmste Stelle
Rinder am Restsee, auf der Fläche dahinter liegt normalerweise ein Garten am anderen.
Tonarbeiten der Kinder
Version 1.00
Evangelischer Kirchenkreis Braunfels - Arbeitskreis Brot für die Welt - TIKATO - Fon: 06446/595 - Email: info@tikato-burkina-faso.de