Fachbeitrag Zeitschrift “Straßen- und Tiefbau"

 

Geotextilien zur Sicherung eines Regenwasserrückhaltedammes in der Sahelzone
Fachbeitrag für die Zeitschrift “Straßen- und Tiefbau 7-8/2011” von Dipl.-Geol. Dr. Wilhelm Wilmers

 

 

 

 

 

 

 

Kurzfassung
Regenwasserrückhaltedämme in Sahelländern versorgen Mensch und Vieh in der Trockenzeit mit Wasser und ermöglichen Gemüseanbau. Die Erddämme sind meist ungenügend geschützt und durch die vermehrt auftretenden Starkregen gefährdet. Am Beispiel der Reparatur eines Dammes, der durch ein Extremereignis durchbrochen worden war, wird gezeigt, wie Geotextilien bei handwerklich einfachem Einbau vor zukünftiger Zerstörung sichern können.

Einleitung
In der Dürrekatastrophe der Sahelzone in Westafrika in den 1970er Jahren wurden Regenwasserrückhaltedämme gebaut, um die Bevölkerung mit Wasser zu versorgen. Einer der ersten war der Damm von Tikato. Provinz Kaya in Burkina Faso (damals Obervolta) der mit Mitteln von Brot für die Welt 1976 gebaut wurde und in 1977 zum erstenmal Wasser gestaut hat. Das Gebiet liegt in der mittleren Sahelzone, die geprägt ist von einer fünfmonatigen Regenzeit, in der heimische Getreide und andere Grundnahrungsmittel angebaut werden und einer siebenmonatigen Trockenzeit, in der die jungen Männer in die Städte oder Nachbarländer, in der häufig trügerischen Hoffnung auf Arbeit, ziehen. Das Wasser des Rückhaltebeckens gibt ihnen die Möglichkeit, in der Trockenzeit durch den Anbau von Gemüse die eigene Versorgung zu verbessern und durch den Verkauf der Produkte Geld zu verdienen, das auch dringend gebraucht wird. Eine 2007 erstellte Untersuchung stellte fest, dass am Staudamm von Tikato bis zu 800 Gärten für den Anbau von Gemüse in der Trockenzeit angelegt wurden, 5000 Menschen davon leben und dass es keine Landflucht gibt, ein Beweis für die Bedeutung. In der Gartensaison ziehen sogar Männer aus entfernten Gegenden hinzu. Die Studie machte aber auch gravierende Schäden am Damm deutlich, die noch im gleichen Jahr von der Bevölkerung behoben worden sind. Eine Katastrophe kam dann durch einen Extremregen in 2009, bei dem der Stausee überschwappte, der Damm auf volle Länge überspült und von der Luftseite her in mehreren Breschen durchschnitten wurde, durch die dann der See auslief. Etwa zeitgleich sind von den ca. 2000 Rückhaltedämmen in Burkina Faso 200 gebrochen. Spenden ermöglichten, dass der Damm von Tikato im Mai 2010, gerade rechtzeitig vor Beginn der Regenzeit, so weit repariert werden konnte, dass er wieder Wasser staut. Die Arbeiten wurden von einer lokalen Baufirma unter tatkräftiger Mitarbeit der betroffenen Bevölkerung durchgeführt. Ein wesentliches Element zur Sicherung vor erneuter Zerstörung durch Erosion waren die Filter- und Erosionsschutzmatten, die ein deutscher Geokunststoffhersteller kostenlos zur Verfügung gestellt hat.

Konstruktion und Zustand des Dammes
Der Damm hat eine Stauhöhe von 3,60 m und eine Kronenhöhe von 5.00 m. Die Böschungsneigung beträgt 1 : 2. Der massive Betonüberlauf hat einen Länge von 40 m bei einer Dammgesamtlänge von 800 m. Der Stausee ist ca. 2,8 km lang, im Mittel 500 m breit und fasst ca. 3 Millionen m³.Der Damm ist ein reiner Erddamm aus einem mittel- bis ausgeprägt plastischen Ton. Die Wasserseite war mit einer einfachen Lage von rundlichen Steinen aus Laterit bedeckt. Die Luftseite hatte keinerlei Schutz, weil der Planer, nach den Flussdeichen seiner europäischen Heimat dachte, dass sich eine schützende Grasnarbe einstellen müsste, was unter den Bedingungen der Sahelzone aber illusorisch ist.

Erste Schäden und deren Behebung
Schon nach wenigen Jahren wurde der Damm auf der Luftseite durch Erosion in tiefen Rinnen und auch durch flächigen Abtrag so weit reduziert, dass der Querschnitt des Dammes vom ursprünglichen Trapez zum Dreieck wurde. Die Bewohner versuchten immer wieder, die Rinnenerosion durch Einlegen von Steinen zu reduzieren, was aber erfolglos gewesen ist.
Es stellte sich auch bald heraus, dass auf der Wasserseite der vom gestauten Wasser aufgeweichte feinkörnige Boden des Dammes zwischen den Steinen herausfloss, weil ein zurückhaltender Filter fehlte. Das führte dazu, dass die Böschung sich im Fußbereich verflachte und im Wellenschlagbereich die Böschung ausgewaschen wurde. Die von den Dörflern veranlasste Vermauerung von Steinen vor den steil nachbrechende Bereichen oberhalb des Wellenschlags verbarg den Blicken, dass dahinter der Erdkern ausgespült wurde. 2007 wurde das erkannt und in einer dreiwöchigen Aktion unter Anleitung eines deutschen Ingenieurgeologen wasserseitig der Dammquerschnitt in Handarbeit von den Männern und Frauen des Dorfes mit erosionsfestem Material, einem Kiessandgemisch, wieder hergestellt. An den besonders kritischen Stellen wurden von einem deutschen Geokunststoffhersteller gespendete Sandsäcke, mit Lehm gefüllt, eingebaut. Darüber wurden die Steine auf einem Kiessandgemisch verlegt und die Zwischenräume zwischen den Steinen mit Kies aufgefüllt.

Dammbruch durch Überflutung
Die so geschützte wasserseitige Böschung hatte auch dem Katastrophenregen von 2009 standgehalten, aber der Damm wurde von der Luftseite her durch die Überflutung aufgeschnitten. Der Versuch der Dörfler, nach dem Bruch die Breschen in Eigenarbeit mit lehmgefüllten Säcken so weit zu schließen, dass wenigstens noch eine kleine Regenwassermenge gespeichert werden könnte ist gescheitert, weil es nach Ende dieser Arbeiten nicht mehr geregnet hatte.

Wiederherstellung des Dammes
Der "Arbeitskreis Brot für die Welt-TIKATO" in Braunfels und Wetzlar , der schon für den Bau des Dammes die Öffentlichkeit mobilisiert hatte, begann Geld zu sammeln, einerseits um die Not der Menschen, die durch den Katastrophenregen Haus, Hof und alle Vorräte verloren hatten, zu lindern, andererseits um die Mittel für eine Wiederherstellung des Dammes zu schaffen. Versuche, große Geldgeberorganisationen dafür zu gewinnen, scheiterten, weil dieses Anliegen in keine Schublade passte. Gleichzeitig wurde durch Korrespondenz mit der in Burkina Faso zuständigen Organisation ODE (Projektbüro der evangelischen Kirchen) und burkinischen Fachleuten Möglichkeiten der Reparatur diskutiert. Ergebnis: Mit den vorhandenen Mitteln sollten im Mai 2010, vor Beginn der Regenzeit, von einer Baufirma die insgesamt vier gravierenden Breschen im Damm geschlossen werden und zwar in einer Technologie entsprechend dem heutigen Stand, d.h. als endgültige Lösung. Für den Erosionsschutz wurde der Einsatz von Geotextilien vorgeschlagen, weil es mit dieser Bauweise in Deutschland gute Erfahrungen gibt und das Angebot eines deutschen Herstellers vorlag, die erforderlichen Matten zu spenden. Für den fachgerechten Einbau sorgte ehrenamtlich ein deutscher Ingenieurgeologe.

Die Dörfler hatten verschiedene Vorarbeiten erledigt: von den Männern wurde in Handarbeit eine große Anzahl von Lateritsteinen gebrochen, die später von der Firma mit dem LKW geholt wurden. Dann wurden die am Damm vorhandenen Steine von den zu erneuernden Böschungsteilen abgelesen und für die Wiederverwendung zusammengetragen. Die Dörfler haben auch im weiteren Verlauf Handlangerdienste geleistet, vor allem bei den abschließenden Sicherungsarbeiten.

Die Baufirma hat zunächst die geschädigten Bereiche auf ein einheitliches Niveau abgetragen und unter dem Damm einen Graben für einen Sporn zur Verhinderung von Unterläufigkeit hergestellt. Dann erfolgte der Aufbau mit einem Tonboden, der mit einem Liebherr - Bagger aus der Grube entnommen worden ist, aus der auch der Boden für den Ursprungsdamm stammte. Es handelt sich um einen mittel- bis ausgeprägt plastischen Ton. Der Wassergehalt lag etwa im Bereich der Ausrollgrenze, also auf der feuchten Seite des optimalen Wassergehalts und damit günstig für das Erreichen einer hohen Wasserdichtigkeit. Regelmäßige Kontrollen von Dichte und Wassergehalt bestätigten eine gute Verdichtung. Für Einbau und Verdichtung wurde eine selbstfahrende Caterpillar Schaffußwalze eingesetzt, die mit einem Schubschild ausgestattet, auch die Verteilung des von den 2 LKW angefahrenen Bodens vornahm. Die Lagendicke verdichtet lag zwischen 25 cm und 30 cm. Im Hinterfüllungsbereich neben den Widerlagern des Überlaufbauwerks wurde mit einer handgeführten Bomag Vibrowalze verdichtet. Schürfen in der späteren Böschung zeigten, dass die Schichten in voller Dicke verdichtet waren.

Wie auch in Deutschland üblich, wurde die Schüttung breiter als der Damm ausgeführt, damit auch der spätere Böschungsbereich von der Walze befahren und verdichtet wurde. Der so entstandene Überstand musste abschließend vom Bagger wieder abgetragen werden, wobei eine einheitlich ebene Böschung entstand. Sie wurde nur noch stellenweise geringfügig von Hand nachbearbeitet. Von Hand musste am wasserseitigen Böschungsfuß ein Graben erstellt werden, in dem das Fundament für das Deckwerk mit der Steinschüttung aufgebaut worden ist. Auch jeweils beim Anstoßen des Dammes an die Betonwangen des Überlaufbauwerks waren Gräben  erforderlich, um hier die Geotextilmatten sicher anzuschließen. Diese Handarbeiten führten Dörfler durch. Auf der Luftseite wurde der bei der Böschungsherstellung abgezogene Boden als Fußverbreiterung mit flacherer Neigung, aber ohne Verdichtung, eingebaut.

Geotextileinbau

Als geotextile Filter- und Erosionsschutzmatten hatte die Herstellerfirma den Wasserbauvliesstoff Terrafix 609 zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um einen Vliesstoff aus gemischten Kurzfasern aus Polypropylen und Polyester mit einer Dicke von ca. 5 mm und einer Masse pro Flächeneinheit von 640 g/m² in einer Bahnbreite von 5,80 m und jeweils einer Länge von 50 m auf einer Rolle. Die Höchstzugkraft beträgt 12 kN/m längs und quer, die Zugdehnung 70/40 % l/q. Der Vliesstoff erfüllt die Anforderungen der Bundesanstalt für Wasserbau hinsichtlich Abrieb- und Durchschlagfestigkeit. Die Bahnen wurden jeweils in einem Stück quer zur Dammachse über beide Böschungen und die Krone hinweg verlegt. Auf der Wasserseite wurden sie sicher in den Fußgraben eingebunden. Die Verlegung erfolgte folgendermaßen: Die über dem Damm abgewickelte Länge wurde mit einem Bandmaß gemessen und die Bahn entsprechend abgeschnitten. Dann wurde auf der Bahn markiert, wo die Kronenkante liegen würde und ferner ein Markierung im Abstand von 30 cm vom Rand angebracht für die spätere Überlappung durch die folgende Bahn. Die so vorbereitete Bahn wurden von beiden Seiten her bis zu der Kronenmarkierung aufgerollt und dann auf der Dammkrone zur Einbaustelle getragen, entsprechend der Markierung ausgerichtet und zuerst wasserseitig abgerollt und nach Korrektur der Lage auch auf der Luftseite. So konnten die Bahnen relativ schnell und ordnungsgemäß verlegt werden. Diese Arbeiten wurden nach praktischer Anleitung durch den Ingenieurgeologen unter Aufsicht der Baustellenleitung von den Jungen des Dorfes ausgeführt.

Die Geotextilien müssen wirksam abgedeckt werden, sowohl gegen die Sonne, als auch gegen Wind und Vandalismus. Sie wurden sofort wasserseitig überdeckt durch den in Burkina Faso jetzt üblichen Deckwerksbau aus Steinen, die in einem Bett aus "Laterit" verlegt werden. Der Laterit ist ein Kies mit 40% Anteil an sandigem Schluff, der die Eigenschaften bestimmt - verdichtet bildet er eine stabile, aber nicht völlig erosionssichere Schicht. Auf der Wasserseite wurden diese Arbeiten von zwei Mannschaften der Baufirma vorgenommen, wobei Dörfler mitarbeiteten, damit sie diese Arbeiten lernen und damit die Sicherung schneller vonstatten ging, weil mit jedem Tag die Wahrscheinlichkeit eines Regens, der das Becken füllen könnte, wuchs – und damit wären weitere Arbeiten an den Dammböschungen unmöglich geworden. Außerdem war es Aufgabe der Dörfler, die Dammkrone und die luftseitige Böschung anschließend in gleicher Weise zu sichern, wozu sie hiermit ausgebildet worden sind.

Diese Arbeiten wurden im Mai 2010 ausgeführt. Am Tag nach Fertigstellung des Böschungsschutzes begann der Regen und füllte den Stausee. Die Dörfler überdeckten dann noch die Geotextilien auf der Dammkrone und der Luftseite mit Laterit. Ein volles Deckwerk aufzubringen war nicht mehr möglich, weil mit dem Regen die Feldarbeit beginnen musste. Der Regen wusch aber im Laufe des Jahres den Laterit auf der Luftseite von den Geotextilien ab. Nach der Regenzeit wurde von den Dörflern neu angedeckt und dann auch mit dem Aufbringen des vollen Deckwerks begonnen.

Ein Besuch im Januar 2011 zeigte folgendes Ergebnis: der Stausee war noch gut gefüllt und der Gartenbau im vollen Gange. Auf der Wasserseite war das Deckwerk intakt, die Geotextilien waren auf Krone und Luftseite voll mit Laterit überdeckt. Wo die Geotextillagen am Dammfuß endeten, haben sich in der Vorschüttung tiefe Erosionsrinnen gebildet, nicht aber unter den Erosionsschutzmatten.

Ergebnis
Dies Beispiel zeigt, dass geotextile Filter- und Erosionsschutzmatten die Erosionssicherheit eines ansonsten mit lokalen Mitteln hergestellten Regenwasserrückhaltedammes deutlich erhöhen und damit die Lebensgrundlage der dort lebenden Menschen für Generationen sichern. Die Bauweise ist einfach und von den Einheimischen leicht zu lernen. Es wäre zu wünschen, dass sie bei entsprechenden Baumaßnahmen der Technischen Zusammenarbeit Anwendung findet.
Die Vertreter der burkinischen Organisation erklärten, dass dies der einzige der 2009 zerstörten Dämme ist, der wieder funktionsfähig ist. Die zeigt, wie durch den intensiven Einsatz der Betroffenen, ergänzend zu der Konstruktion durch eine Baufirma und unterstützt durch direkte Sach- und Geldspenden aus Deutschland, die Lebensbedingungen der Menschen gesichert werden konnten.

Kontrolle und Unterhaltung
Natürlich erhebt sich die Frage nach einer konsequenten Unterhaltung des Bauwerks. Unter dem Eindruck der großen Zahl zerstörter Dämme sind Fachleute und Regierungsstellen dabei, ein landesweites System dafür zu entwickeln. Am Damm von Tikato wurde sofort ein Verein der Stauseenutzer gebildet mit einem Komitee, das für die Kontrolle des Dammes und die Organisation von Unterhaltungsarbeiten zuständig ist. Durch die Mitarbeit bei der Reparatur ist die Technik dafür bekannt und auch das Wissen, dass sie die grundlegenden Arbeiten selbst ausführen können. Das Bewusstsein der Eigenverantwortung ist da und das Interesse, auftretende Schäden sofort zu beheben. So kann man davon ausgehen, dass das Stausystem auch zukünftigen Generationen dienen wird, wobei die Geotextilien eine wesentliche Sicherung für den Bestand darstellen.

 


Dammquerschnitt mit Schäden – Skizze ohne Maßstab


Dammquerschnitt nach Erneuerung mit Steindeckwerk auf geotextiler Erosionsschutz- und Filtermatte – Skizze ohne Maßstab


Der Stausee in der Regenzeit
(Bild. W.Gerster)


Der Stausee in der Trockenzeit
(Bild W. Simon)


Restquerschnitt des Dammes nach Abtrag auf der Luftseite 2010


Erosion auf der Luftseite 2007


Hohlraum hinter der Betonschürze (Reparatur 2007)


Dammergänzung mit Kiessand und lehmgefüllten Sandsäcken 2007


Erosion durch Überflutung 2009


Bresche im Damm mit
Sandsackbarriere 2009


Dammneuaufbau mit verbreiterter Schüttung 2010


Böschungsherstellung 2010


Geotextiltransport


Geotextil am Kronenrand ausgerichtet und abgerollt


Geotextil verlegt, Randgraben zum Anschluss an das Widerlager, Überschüttung mit Laterit, Beginn des Deckwerks


Aufbau des Deckwerks: Frauen reichen die Steine an 2010


Geotextil auf der Luftseite mit Laterit überdeckt, Beginn des Steindeckwerks, Januar 2011


Erosionsrinnen wo der Schutz des Geotextils endet, entstanden in der Regenzeit 2010


Im Januar 2011: der Damm hält wieder Wasser, der See ist noch halb gefüllt und die Gärten im Hintergrund grünen







 

 

 

 

 

 

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